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Lesung von Bundesminister a.D. Dr. Thomas de Maizière im Feldschlösschen Stammhaus

Lesung von Bundesminister a.D. Dr. Thomas de Maizière im Feldschlösschen Stammhaus

Die Ortsverbände Dresdner Süden und Dresdner Südosten hatten gestern Abend Bundesminister a.D. Dr. Thomas de Maizière zu Gast. Unter strenger Beachtung der Hygieneregeln kamen knapp 50 Interessierte zu einer Lesung seines Buches "Regieren - Innenansichten der Politik" in den größten Saal des Feldschlösschen Stammhauses.

Thomas de Maizière las ausgewählte Passagen aus seinem Buch und diskutierte mit den Anwesenden unter anderem die Bedeutung von Volksparteien, die Entwicklung des Föderalismus in Deutschland und den Einfluss von Krisen auf eine Gesellschaft.

So erklärte der Minister, dass seiner Ansicht nach eine Volkspartei sich nicht in erster Linie durch die Zahl der Mitglieder oder Wählerstimmen definiere, sondern durch die Breite der Themen, mit der sie sich beschäftige. Eine Volkspartei zeichne sich dadurch aus, dass sie den Blick auf die Gesamtlage habe und den Ausgleich unterschiedlicher Interessen der verschiedenen Gruppen in einer Gesellschaft anstrebe. Bei den Grünen reife zum Beispiel gerade die Erkenntnis, dass man sich über die Klimafrage hinaus zu vielen Themen noch nicht ausreichend positioniert habe.

Dass Volksparteien aktuell nicht mehr die Mehrheiten früherer Zeiten haben, sei eine Entwicklung, die man in ganz Europa beobachten und die auch für Deutschland noch zunehmen könne, aber er habe die Hoffnung, dass zunehmend komplizierte Regierungsbildungen die Bürger irgendwann wieder dazu bringen werden, Stabilität zu wählen, auch wenn man dabei Kompromisse in Kauf nehmen müsse.

Zum Thema Föderalismus, dessen Vor- und Nachteile ja immer wieder im Gespräch sind, sagte de Maizière, er beobachte eine in den letzten Jahren zunehmende Verwässerung des Föderalismus, die die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen durcheinanderbringe. So werde in schwierigen Situationen häufig nach schnellen Hilfen des Bundes in Bereichen gerufen, für die dieser eigentlich nicht zuständig sei - in der Bildungspolitik beispielsweise bei der Finanzierung von Schulhausbau und Digitalisierung. Diese Hilferufe erscheinen oft auf den ersten Blick plausibel, es sei aber eine Entwicklung, die auf Dauer das Verfassungsgefüge beschädige.

Auch die Krisen in der Politik und ihre Auswirkungen waren Thema am gestrigen Abend. Häufig sei es so, dass eine Gesellschaft an einer Krise wachse. So sei beispielsweise nach der Flut vieles schöner aufgebaut worden als vorher. Auf die Frage nach den Kosten der Flüchtlingskrise stellte der Minister aber auch klar, dass sich Kosten nicht nur finanziell bemessen ließen. Einiges habe sich sicher weniger gut entwickelt als man es am Anfang erhofft hatte, aber die politischen Kosten einer Verweigerung, die Menschen bei uns aufzunehmen, wären sicherlich höher gewesen. Es gebe Dinge, die einen ideellen Wert hätten, auch wenn sie Kosten verursachten und es gebe Probleme, die man nicht lösen, sondern mit denen man nur umgehen, sie eindämmen und vielleicht verkleinern könne. Flucht und Vertreibung gehören sicher zu diesen letztlich nicht lösbaren Problemen.

In Krisenzeiten sei Vertrauen das höchste Gut. Er rate jedem Politiker dazu, Vertrauen „anzusparen“. In der Corona Krise könne man gerade beobachten, dass die Zustimmungswerte der Kanzlerin steigen, da die Menschen sie als seriös wahrnehmen und Vertrauen zu ihr und in ihre Kompetenz zur Lösung von Problemen hätten.

Auf die Frage, wie man als Politiker den Spagat hinbekomme, einerseits die Stimmung in der Bevölkerung wahrzunehmen und sich aber auf der anderen Seite nicht zu sehr davon leiten zu lassen, sagte er, es sei wichtig, viele unterschiedliche Lebensbereiche kennenzulernen, besonders auch, den Menschen im Wahlkreis zuzuhören, aber politische Führung bedeute eben auch, nicht der politischen Stimmung zu erliegen. Entscheidend sei es, eine Mischung zu finden aus Mechanismen, die sicherstellen, dass man von den Menschen, mit denen man spricht, die Wahrheit gesagt bekomme, zusätzlich müsse man ein „dickes Fell“ entwickeln, um mit manchen Wahrheiten umgehen zu können und nicht zuletzt gute Freude außerhalb des Politikbetriebes haben, auf deren Urteil und Rat man sich verlassen könne.

Am Ende des Abends nahmen viele Teilnehmer die Möglichkeit wahr, sich Ihr Buch von Thomas de Maizière persönlich signieren zu lassen.